Nicht so sehr die Meldung, dass Rocker als eine Art Bürgerwehr unterwegs sein sollen, macht mir Sorgen, sondern die anscheinend verbreitete Unterstützung dieses Vorhabens durch Mitbürger über Facebook, Briefe und Aussagen wie aktuell in der Zeitung. Hier mischen sich Uninformiertheit, Angst vor dem Fremden, Fehlen von demokratischem Wertebewußtsein und das von Facebook hingehaltene Stöckchen der vermutet folgenlosen Meinungsäußerung zu einem fatalen Kompott.
Die letzte legale Bürgerwehr in Tuttlingen war im Revolutionsjahr 1849, als im Sommer „Schulmeister Dinkelacker zum Befehlshaber der Bürgerwehr gewählt“ wurde, wie der Gränzbote berichtete. (Ob der Verfasser stolz auf diesen Verwandten sein sollte, ist ihm nicht klar). Es war damals notwendig, gegen „den badischen Aufstand“ eine solche Bürgerwehr aufzustellen zusätzlich zu den königlich-württembergischen Ordnungskräften.
Seitdem und insbesondere mit der Entwicklung des demokratischen Rechtsstaats und dessen Gewaltmonopol gibt es eine Übereinkunft abendländischer Gesellschaften, dass die Polizei die Bürger beschützt. Vor Beginn des Dritten Reichs entstanden allenthalben selbsternannte Schutzstaffeln, rekrutiert oft aus jungen Menschen ohne Bildung und Zukunft und mit kleinkriminellem Hintergrund, die schon mal vom Eckensteher in Windeseile zum Polizeichef wurden, als die Hitlerei die Macht übernahm. `Besorgte Bürger` erschraken dann: „Halt, so haben wir das nicht gemeint“, aber es war zu spät.
Aus der Geschichte sollten wir unsere Schlüsse ziehen. Die Polizei, die in Tuttlingen ihre Arbeit nach besten Kräften und Möglichkeiten macht, ist die Ordnungsmacht und sonst niemand. Ihr sollte man Beobachtungen und Übergriffe mitteilen, per handy geht das so schnell wie nie zuvor. Hier liegt die Verantwortung von uns allen. Und die Polizei weiß nicht erst seit Köln, dass ihre Schutzfunktion und Präsenz gefragt ist. Sie zeigt sich öfter in der Innenstadt und das ist gut so. Früher gab es sogar eine Polizeiwache in der Bahnhofstraße…
Als besorgter Bürger schreibt Hellmut Dinkelaker, Tuttlingen
